Einen Schwerpunkt unserer Vision bilden die Achtsamkeit, der Respekt und die Wertschätzung der uns anvertrauten Kinder. Wir leben ein gleichberechtigtes und wertschätzendes Miteinander, denn bei uns treffen ganz selbstverständlich Menschen mit verschiedenen sozialen und kulturellen Hintergründen und Entwicklungsständen als Gemeinschaft aufeinander. Diese Erfahrung führt zur Sensibilisierung, macht neugierig und erhöht die Offenheit gegenüber anderem.
Aus dieser Haltung heraus wollen wir unseren Blick immer wieder auf die Inklusion lenken und unseren Alltag auch in der Praxis danach ausrichten. Eine effektive Möglichkeit alle Kinder an unserem Alltagsgeschehen teilhaben zu lassen, sie mit ihren Bedürfnissen zu sehen und ihnen die Chance zur Kommunikation zu geben, bilden Gebärden.
Besonders viel Spaß bereiten den Kindern hierbei die Daumenkinos von talking hands.
Mimik und Gestik sind für die Verständigung vor allem in der Kommunikation mit unseren Jüngsten sehr wichtig, deshalb bereichern die Flipbooks unsere Arbeit in all unseren Stadtküken Natur-Kitas. Durch einfache Handzeichen kann schnell und problemlos miteinander kommuniziert werden, auch schon bevor unsere Kinder überhaupt sprechen können. Hier lernen auch schon unsere Krippenkinder spielerisch Begriffe zu visualisieren und dies fördert vor allem auch den weiteren Spracherwerb.
Um einen genaueren Einblick in die Vision und Hintergründe dieser wunderbaren Kommunikationshilfe zu bekommen, haben wir mit einer der Gründerinnen, Maria Möller, gesprochen und sie zu diesem tollen Thema interviewt:
Stadtküken: Wie würdet ihr talking hands in wenigen Sätzen beschreiben?
Maria: talking hands steht für Inklusion und Kommunikation. Durch unsere Daumenkinos lernen Kinder spielerisch und interaktiv Gebärden. Dafür haben wir den Grundwortschatz von Kleinkindern in über 100 verschiedene Gebärden-Daumenkinos verwandelt. Dadurch wird die Kommunikation zwischen allen Kindern gefördert und Sprachbarrieren können überwunden werden.
Stadtküken: Sind Gebärden nicht etwas für Menschen mit Gehörlosigkeit? Warum können die talking hands auch für Regel-Kitas eine Bereicherung darstellen?
Maria: Gebärden sind ein wichtiges Kommunikationsmittel, nicht nur für Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit, sondern auch für Menschen mit verschiedenen Formen von Kommunikationseinschränkungen. So sind Gebärden für Kinder mit Hör- und Sprachproblemen, Down-Syndrom, Autismus etc. essentiell, um Wünsche und Bedürfnisse zu äußern. Doch auch alle anderen Kinder profitieren vom Lernen der Gebärden. Denn dies fördert nicht nur die Interaktion und damit auch aktiv Inklusion, sondern begünstigt den Spracherwerb und erleichtert den Zugang zur gesprochenen Sprache.
Daher ist es unsere Mission, alle Kinder, ob mit oder ohne Behinderung, für das Erlernen von Gebärden zu begeistern. Wir wollen mit talking Hands der Isolierung von Kindern mit Behinderung vorbeugen, denn Inklusion und zwischenmenschliche Kommunikation kann nur erfolgreich werden, wenn alle Kinder miteinander kommunizieren können. Aus diesem Grund ist es unsere große Vision talking Hands irgendwann in allen Bildungseinrichtungen, wie Kitas und Grundschulen, vertreten zu sehen.
Stadtküken: Wird mit der Verwendung von Gebärden der Lautspracherwerb nicht verlangsamt oder sogar verhindert?
Maria: Nein, mit der Verwendung von Gebärden wird der Lautspracherwerb nicht verlangsamt oder verhindert. Das Erlernen von Sprache und Gebärden geschieht zeitgleich. Tatsächlich unterstützen Gebärden sogar den Spracherwerb sowohl bei Regelkindern als auch bei Kindern, die erschwert zur Lautsprache kommen.
Da die Gebärden von den erwachsenen Bezugspersonen stets in Kombination mit dem gesprochenen Wort verwendet werden, ist jegliche Sorge, dass Kinder dadurch die gesprochene Sprache nicht lernen, unbegründet. Denn wenn begleitend zur Lautsprache besonders wichtige Wörter – sogenannte Schlüsselbegriffe – gebärdet werden, wird das gesprochene Wort “sichtbar” gemacht. Die Visualisierung durch die Gebärden ermöglicht ein leichteres Sprachverstehen und macht das Wort somit deutlicher und fassbarer für die Kinder. Damit wird eine Assoziation geschaffen und das motorische Gedächtnis aktiviert, sodass ein schnellerer Zugang zum Wort ermöglicht wird.
Mit zunehmender Sprachentwicklung werden Gebärden vom Kind weniger genutzt. Die Gebärden bauen also Brücken für den Spracherwerb und verhindern diesen nicht.
Stadtküken: Benötigen Erzieher/innen, Eltern oder Kinder Vorkenntnisse, um die talking hands anzuwenden?
Maria: Es werden keine bestimmten Vorkenntnisse benötigt, um die Daumenkinos anzuwenden, denn die Daumenkinos sind einfache und selbsterklärende Lernmittel. Ziel ist es zusammen und interaktiv Gebärden zu lernen. Aus unserer Erfahrung können wir sagen, dass gerade Kinder die Daumenkinos unbeschwert und ohne viel darüber nachzudenken ausprobieren, da ihre Neugierde einfach geweckt wird. Das klappt ohne Probleme.
Erwachsene und Erzieher/innen verbinden oft das Thema Inklusion mit mehr Arbeit, dem ist aber nicht so. Sich vor der Benutzung mit dem Thema Gebärden auseinanderzusetzen, hilft natürlich dem besseren Verständnis und öffnet einem die Augen zum Thema Inklusion, ist aber keine absolute Voraussetzung, um die Gebärden-Daumenkinos erfolgreich zu verwenden.
talking hands ist gerade dabei einen Leitfaden zu erarbeiten, um den Einstieg der Daumenkinos in Kitas und Zuhause zu erleichtern.
Stadtküken: Wie unterscheidet sich der Einsatz von talking hands von der Deutschen Gebärdensprache?
Maria: Die Deutsche Gebärdensprache (DGS) ist eine seit 2002 eigenständig anerkannte Sprache. Die DGS hat ein umfassendes Vokabular und eine eigene Grammatik, die sich grundlegend von der Laut- und Schriftsprache unterscheidet.
Die talking Hands Daumenkinos stellen einzelne Wörter und Gebärden dar, ohne Hinweise auf Syntax und Grammatik. Es werden nur einzelne bedeutungstragende Wörter begleitend zur Lautsprache gebärdet und nicht der ganze Satz. Dies hilft dabei den Inhalt zu verdeutlichen.
Momentan unterscheiden wir bei unseren Daumenkino Sets zwischen Gebärdenunterstützter Kommunikation (GUK) und Lautsprachunterstützter Kommunikation (LUG). Die Anwendung der Sets ist identisch. Die Gebärden werden begleitend zur Lautsprache eingesetzt, das heißt die Grammatik der Lautsprache wird beibehalten. Der Unterschied liegt beim Vokabular. Die LUG Daumenkinos basieren auf dem Vokabular der Deutschen Gebärdensprache. Dagegen sind die GUK Gebärden teilweise etwas vereinfacht, sodass insbesondere Kinder mit Down-Syndrom, die Gebärden gut ausführen können.
Stadtküken: Wie können Eltern diese Gebärden verwenden? Habt ihr Tipps für den Alltag?
Maria: Am besten werden die Gebärden in den Alltag integriert. Bestimmte Routinen, wie z.B. bei Mahlzeiten oder vor dem Schlafengehen, bietet sich besonders an, um gemeinsam durch die Daumenkinos zu blättern und die Gebärden zu lernen. Außerdem können im Alltag bestimmte Verhaltensweisen durch Gebärden unterstützt werden, indem man beim Sprechen auch gleichzeitig die Gebärde zeigt. Zum Beispiel bei der Frage, ob das Kind etwas trinken möchte, können Eltern ein imaginäres Glas Richtung Mund führen, um das Gesagte zu verdeutlichen. Damit werden das gesprochene Wort und die Gebärde kinderleicht im Alltag miteinander verbunden.
Eltern sollten außerdem daran denken Geduld mitzubringen. Manche Kinder brauchen etwas länger, um die Gebärden anzunehmen und dabei sollte kein Druck entstehen. Außerdem sollte der Spaßfaktor nicht vergessen werden, denn Spaß ist die einfachste und sicherste Technik etwas zu lernen.
Liebe Maria, liebes talking hands – Team,
wir danken euch für den Einblick in dieses tolle und wichtige Thema. Die Daumenkinos bereichern unseren Kita-Alltag von Tag zu Tag mehr und wir freuen uns sehr zu sehen, wieviel Spaß und Freude Inklusion machen kann!